Tribunal NSU-Komplex auflösen
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Audiovisuelle Mikro-Interventionen zum TRIBUNAL NSU-Komplex auflösen und darüber hinaus
Wie können wir das Feld des Sichtbaren so verändern, dass rassistische Strukturen anklagbar und (post-)migrantische Realitäten und Perspektiven unübersehbar und unüberhörbar werden?
Vom 17. bis 21. Mai 2017 wird in Köln Mühlheim das TRIBUNAL NSU-Komplex auflösen stattfinden. Das Tribunal widmet sich zahlreichen offenen Fragen rund um den NSU-Komplex und klagt institutionellen sowie alltäglichen Rassismus in Deutschland an. Im Mittelpunkt steht dabei das migrantisch situierte Wissen der vom Nazi-Terror Betroffenen. Dieses Wissen soll sichtbar und hörbar werden.
Der Begriff ‘NSU-Komplex’ zielt auf die Verflechtung von Nazi-Terror, Rassismus und staatlicher Involviertheit: Zwischen 1999 und 2007 werden in Deutschland neun migrantische Kleinunternehmer und eine Polizistin ermordet. Bei drei Bombenanschlägen – u.a. auf eine migrantisch geprägte Geschäftsstraße in Köln – werden zahlreiche Menschen schwer verletzt. Die Taten bleiben unaufgeklärt bis sich 2011 der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund (NSU) selbst enttarnt und zu den Taten bekennt. Bis heute ist die Mord- und Anschlagsserie nicht vollständig aufgeklärt. Offene Fragen gibt es unter anderem zum rechtsradikalen Umfeld des NSU, sowie zur Rolle des Verfassungsschutzes, der zahlreiche Informanten im Umfeld der Täter hatte. Deutlich geworden ist hingegen, wie tief Rassismus in Deutschland verankert ist. Nicht zuletzt innerhalb der jahrelang konsequent in die falsche Richtung ermittelnden Polizei- und Sicherheitsorgane, für die Rassismus als Tatmotiv angeblich über all die Jahre nicht erkennbar war und selbst jetzt noch kleingeredet wird.
SPOTS sind kurze audiovisuelle Interventionen zu Facetten des NSU-Komplexes, die unter anderem zur Mobilisierung für das Tribunal entstehen. Sie thematisieren die blind spots in der Aufarbeitung des NSU-Komplexes. Sie werfen spotlights auf die rassistischen Verhältnisse, welche rechte Netzwerke und deren Taten erst möglich machen. SPOTS verstehen dabei Ästhetik als politisches Handeln. Sie setzen der dominanten täterfixierten Bildpolitik und den medialen Überschreibungen rund um den NSU-Komplex etwas entgegen. Sie drehen Sichtbarkeiten um, stellen Widerstandsgesten dar, formulieren Fragen und Anklagen. Und wollen so eine breitere gesellschaftliche Debatte anstoßen.
SPOTS werden ab Frühjahr 2017 einzeln, in Gruppen, sowie als komplexe Reihe an verschiedenen Orten in Deutschland und darüber hinaus gezeigt. Sie werden in Werbeblöcke eingeschleust, laufen als abendfüllendes Kinoprogramm, verbreiten sich im Internet, verbinden sich als Installation im Ausstellungsraum oder sind Teil von inhaltlichen Veranstaltungsreihen.
Das TRIBUNAL NSU-Komplex auflösen findet vom 17. - 21. Mai 2017 in Köln auf dem Gelände der ehemaligen Carlswerke statt. Diese Fabrik ist selbst ein Ort der vielfältigen Geschichte von Migration und Arbeit. Sie liegt in direkter Nähe der Keupstrasse, einer belebten Einkaufsstraße und einem Zentrum türkisch-kurdischen sozialen Lebens. Die Straße wurde 2004 Ziel eines Nagelbomben-Anschlags durch den NSU.
Das Tribunal geht aus einer Gesellschaft der Vielen hervor und fordert die Auflösung von strukturellen und institutionellen Rassismen. Es steht den Angehörigen und Freunden der Opfer des NSU-Terrors bei und unterstützt deren Anklagen gegen staatliche Organe und Institutionen als Komplizen des NSU-Komplexes. Das Tribunal setzt sich ein gegen das Leise-Drehen der Stimmen derer, die Ziel der Morde und Anschläge des NSU waren und davon weiterhin betroffen sind. Es geht von ihrem Wissen und ihren Erfahrungen aus und verschafft ihren Forderungen Gehör, die Bedingungen und Strukturen aufzulösen, die den NSU ermöglicht haben. Das Tribunal zielt außerdem auch auf einen internationalen Diskurs über den NSU-Komplex und seine Kontextualisierung in der Geschichte von institutionellem Rassismus und Strukturen von ‘Tiefem Staat’.
Während der vier Tage des Tribunals wird es Hearings und Präsentationen, ebenso wie verschiedene Workshops, Gruppentreffen, Ausstellungen und Diskussionen geben. Anklagen und Forderungen zu spezifischen Aspekten des NSU-Komplexes werden erarbeitet und am Ende eines jeden Tages öffentlich vorgebracht. Zudem werden auch Gruppen und Personen benannt, die zur Verantwortung gezogen werden sollen.
Das Tribunal wird von einem großen Bündnis antirassistischer Netzwerke, Gruppen und Individuen in Deutschland und weltweit getragen und organisiert. Es ist eine beispiellose Initiative im heutigen Kampf gegen Rassismus und wachsende Nazi-Aktivitäten in Deutschland.
Von 1998 bis 2011 beging die neonazistische Terror-Organisation ‘Nationalsozialistischer Untergrund’ (NSU) zehn Morde, drei Bombenangriffe und 15 Überfälle. Die ermordeten Opfer sind Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter. Bis auf Kiesewetter waren sie alle Kleinunternehmer türkischer, kurdischer und griechischer Herkunft, die in verschiedenen größeren und kleineren Städten in Deutschland gelebt und gearbeitet haben.
Bevor sich der sogenannte NSU 2011 selbst enttarnte, wiesen Polizei, Politiker und Medien ein rassistisches Tatmotiv kategorisch von der Hand. Mit ihren falschen Behauptungen, geheimen Ermittlungen und wiederholten Befragungen zielten die Ermittler fast ausschließlich auf die Familien und den Bekanntenkreis der Opfer. Die Verbrechen wurden in den Medien als ‘Dönermorde’ bezeichnet, eine der Ermittlungskommissionen nannte sich ‘Bosporus’. So setzten sich rassistische Stereotypen fort und situierten die Verbrechen semantisch als nah-östlich und damit deutlich als nicht zu Deutschland gehörig.
Der Begriff ‘NSU-Komplex’ wird benutzt, um dieses Zusammenwirken von Neo-Nazi-Terror mit strukturellem und institutionellem Rassismus zu umfassen. Er prangert die Täter-Opfer-Umkehrung der Ermittlungen an, die oft deutlich rassistische Berichterstattung in den deutschen Medien, die Zusammenarbeit zwischen Deutschlands Geheimdiensten und dem neonazistischen Untergrund, die versuchten Vertuschungen, das vorsätzliche Verschwindenlassen von Beweismitteln, die unerklärlichen Tode von Zeugen und die andauernde Obstruktion der Versuche, Hintergründe und Details dieser Verbrechen aufzuklären. Elf parlamentarische Untersuchungsausschüsse, einige davon immer noch nicht abgeschlossen, konnten die Spezifik des NSU-Komplexes bisher noch nicht zur Gänze aufdecken.
2013 begann vor dem Oberlandesgericht in München der Prozess gegen ein bekanntes NSU-Mitglied und vier mutmaßliche Komplizen. Seit dem ersten Verhandlungstag haben die Nebenklageanwält/innen der Opferfamilien und Überlebenden der Bombenanschläge immer wieder die Reduzierung der Anklage kritisiert, welche von einem Täter-Trio mit wenigen Unterstützer/innen ausgeht und dabei das vermutlich weitläufige Unterstützungs-Netzwerk außer Acht lässt. Auch jeder Versuch, die andauernden strukturell rassistischen Handlungsweisen staatlicher Autoritäten und deren Verflechtung mit dem NSU genauer zu betrachten, wurde vom Generalbundesanwalt torpediert und vom Gericht ignoriert. Nicht einmal die Opferfamilien und Überlebenden konnten ungehindert sprechen. Sie wurden unterbrochen und auf ihre Rolle der unmittelbaren Tatbezeugung reduziert.
Die Verbrechen des NSU waren nur möglich wegen eines tief in der deutschen Gesellschaft verwurzelten Rassismus. Eine Tatsache, mit der sich bis heute ungern beschäftigt wird und die weitgehend von der Hand gewiesen wird. Und doch ist es genau das, was eine große Zahl der Opferfamilien und Überlebenden der mörderischen und terroristischen Angriffe des NSU seit Jahren lautstark kundtun.
TRIBUNAL NSU-Komplex auflösen
Köln 17.-21.5.2017
AUSSTELLUNGEN
Museum für Moderne Kunst, Frankfurt
documenta 14, Kassel
Forum Expanded Ausstellung, Berlinale
Haus der Kulturen der Welt, Berlin
Studio for Artistic Research, Düsseldorf
SAVVY Contemporary Berlin
M1 Hohenlockstedt
Heimathafen Neukölln
The Ludlow 38, New York
Museum Villa Stuck, München
Heidelberger Kunstverein
Rautenstrauch-Joest-Museum, Köln
FILMFESTIVALS & SCREENINGS
Filmfestspiele Cannes ( via Short Tiger Award für „Whose Hand was it?“)
Internationale Kurzfilmtage Oberhausen
dokumentarfilmwoche Hamburg
L´Alternativa Barcelona
Dokfilmfest Kassel
Ethnocineca Wien
Villa Leon, Nürnberg
Stuttgarter Filmwinter
goEast-festival, Wiesbaden
Kollektiv Filmreihe Köln
Antirassistischer Streiktag 8. Mai, Berlin
Antirassistisches Sommerkino, Köln
Filmfest Dresden
Kein Schlussstrich, Zwickau
KINOS
Kino Babylon Kreuzberg, Berlin
Capitol Dahlem, Berlin
Cinema Paris, Berlin
Delphi Filmpalast, Berlin
Filmtheater Friedrichshain, Berlin
Kant Kino, Berlin
Kino International, Berlin
Neues Off, Berlin
Odeon, Berlin
Passage, Berlin
Rollberg, Berlin
York Kreuzberg, Berlin
Kino FSK, Berlin
Bambikino, Düsseldorf (Vorfilm zu Fatih Akins Film)
Mal Seh´n, Frankfurt
B-Movie Hamburg
Filmladen, Kassel
Bali, Kassel
Gloria, Kassel
Luru Kino, Leipzig
Werkstattkino München
Filmhaus Nürnberg
Cinema & Kurbelkiste Münster
ONLINE
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Stand: Juli 2019